Die Forderung nach aufrichtiger Information für eine vertrauensvolle Demokratie

Wie kann eine fehlinformation effizient korrigiert werden?

30/06/2020

Synthese eines wissenschaftlichen Artikels, die von der Fondation Descartes hergestellt wurde:

Lewandowsky, S., Ecker, U. K., Seifert, C. M., Schwarz, N., & Cook, J. (2012). Misinformation and its correction: Continued influence and successful debiasing. Psychological science in the public interest, 13(3), 106-131.

In diesem Literaturüberblick (1) identifizieren die Autoren die verschiedenen Quellen von Fehlinformationen [misinformation]; (2) versuchen zu erklären, warum Fehlinformationen weiterhin Personen beeinflussen, obwohl sie deutlich widerlegt und zurückgezogen wurden; (3) stellen eine Reihe von Empfehlungen vor, um die Wirksamkeit der Korrektur von Fehlinformationen zu maximieren.

Die Autoren verwenden den Begriff Fehlinformation, um auf jegliche Information, die zunächst als gültig dargestellt und dann zurückgezogen oder korrigiert wird, hinzudeuten.

Verkürzte Zusammenfassung der Lösungen

Bevor wir zum Kern des Artikels kommen, bieten wir Ihnen eine Zusammenfassung der wichtigsten Lösungen, die in diesem Artikel dargestellt werden, um die Wirksamkeit der Korrektur von Fehlinformationen zu maximieren.

Lösung 1: Um eine fehlerhafte Information effizient zu korrigieren, ist es wichtig, sie durch eine Information mit der gleichen erklärenden Funktion zu ersetzen. Um die Wirksamkeit dieser Korrektur zu erhöhen, soll es möglich sein, sie zu wiederholen, ohne die ersetzte fehlerhafte Information zu erwähnen.

Lösung 2: Mit der Wiederholung der korrekten Information vor jeglicher Exposition gegenüber einer Fehlinformation anfangen. Dies erfordert, dass das Auftreten von Fehlinformationen vorhergesehen wird.

Lösung 3: Kürzere und einfachere Argumente im Vergleich zu denjenigen, die die Fehlinformation rechtfertigen, verwenden.

Lösung 4: Die Individuen zum Skeptizismus ermutigen, um den Einfluss der Fehlinformationen zu verringern.

Lösung 5: Den Werten, Idealen und Prinzipien der von Fehlinformationen beeinflussten Person nicht widersprechen. Die richtige Information soll im Gegenteil die von der Person geschätzten Werte wieder aufgreifen. 1

I - Die Fehlinformation auf gesellschaftlicher Ebene: verschiedene Quellen

Zunächst erinnern uns die Autoren daran, dass die Demokratie für ihr Funktionieren auf eine gut informierte Bevölkerung angewiesen sein soll. Das Fortbestehen von Fehlinformationen kann also zu einer Dysfunktion der Demokratie führen. Wenn die Individuen falsche Informationen für richtig halten, wird diese Dysfunktion noch dadurch verschlimmert, dass sie sich stark für soziale und politische Zwecke engagieren können, von denen sie zu Unrecht glauben, dass sie von diesen falschen Informationen gerechtfertigt sind. Der Irakkrieg ist ein typisches Beispiel: Einige Amerikaner unterstützten die militärische Intervention im Irak nachdrücklich und griffen dabei die Rechtfertigung der amerikanischen Regierung auf (das angebliche Vorhandensein von Massenvernichtungswaffen).

Jedoch ist die Verbreitung von Fehlinformationen unvermeidlich. Die wissenschaftliche Methode funktioniert sogar auf diese Weise: Eine Information wird als neues Wissen dargestellt, dann diskutiert und möglicherweise widerlegt. Nur Informationen, die den Korrekturversuchen widerstehen, werden in den wissenschaftlichen Wissenskorpus aufgenommen. In diesem Sinne ist also die Fehlinformation ein integraler Bestandteil der Herstellung von wissenschaftlichem Wissen. Allerdings gibt es andere Quellen der Fehlinformation, die schädlicher sind.

Gerüchte und Fiktionen

Die Autoren des Artikels geben keine Definition des Begriffs „Gerücht“. Dennoch haben mehrere Studien festgestellt, dass Informationen nicht nur deshalb kursieren können, weil wir sie für richtig halten, sondern weil sie in uns starke Emotionen hervorrufen. Zum Beispiel neigen Eltern dazu, falsche Informationen zur Impfung zu verbreiten, wenn sie glauben, dass sie ihre Kinder gefährden. Eltern haben in solchen Themen besonders starke emotionale Reaktionen, weil sie um den Schutz ihrer Kinder besorgt sind, was sie dazu führt, diese Fehlinformationen weiterhin zu verbreiten.

Auch fiktive Informationen (aus Kulturprodukten) tragen zum Wissen der Menschen bei. Mehrere Studien haben gezeigt, dass Individuen gerne zugeben, dass sie Wissen über die Welt besitzen, das aus fiktiven Produkten (Film, Buch, usw.) kommt. Obwohl einige Fiktionen tatsächlich zuverlässige Informationen über die reale Welt enthalten können, werden andere in den Bestand unseres Wissens aufgenommen, während sie völlig fantasievoll sind. Die Autoren erwähnen das Beispiel des Buches Michael Crichtons State of Fear, das im Senat der Vereinigten Staaten als „wissenschaftliches Argument“ diente, um die Auswirkungen des Klimawandels zu diskutieren.

Politiker und Regierungen

Regierungen und Politiker können versehentlich oder absichtlich Fehlinformationen verbreiten. Diese gefälschten Informationen können sich tiefgreifend auf die Überzeugungen der Individuen auswirken. Noch einmal hat die Fehlinformationskampagne über Massenvernichtungswaffen im Irak eine tiefe Auswirkung auf die amerikanische Gesellschaft gehabt. Studien, die sich mit diesem Thema befasst haben, haben gezeigt, dass Bürger Schwierigkeiten bei der Unterscheidung zwischen dem Wahren und dem Falschen in den Worten von politischen Persönlichkeiten haben. Diese Schwierigkeiten bestehen, auch wenn Individuen davor gewarnt werden, dass die Worte von Politikern Fehlinformationen enthalten können. Die Skepsis ihnen gegenüber ist daher nicht immer ausreichend.

Nichtregierungsorganisationen und Lobbys

Die Verbreitung von Fehlinformationen aus bestimmten Industrien wird viel erforscht. Die Tabak- und Energieindustrie haben dazu beigetragen, fehlerhafte Überzeugungen über ihre verkauften Produkte zu schüren, indem sie Fehlinformationen zu diesem Thema in der Öffentlichkeit verstreut haben.

Auf der anderen Seite haben einige Nichtregierungsorganisationen dazu beigetragen, Ängste vor bestimmten Produkten (unter anderem Impfstoffen und gentechnisch veränderten Organismen) zu schüren, was eine negative wirtschaftliche Auswirkung auf die betroffenen Industrien hatte.

Die Medien

Die Medien können zur Quelle von Fehlinformationen werden, wenn sie live über ein wichtiges Ereignis berichten. Die vor Ort gemeldeten Informationen können später revidiert und korrigiert werden. Die Medien müssen auch die wissenschaftlichen Ergebnisse, die es verdienen, der breiten Öffentlichkeit ausgesetzt zu werden, vereinfachen. Mit der Vereinfachung dieser Ergebnisse können die Medien den Sinn des wissenschaftlichen Artikels verzerren und beim Leser falsche Überzeugungen hervorrufen 2 Die Medien können auch Experten, die eine abweichende Stimme angesichts des wissenschaftlichen Konsenses zum Ausdruck bringen, zu viel Platz einräumen. In diesem Fall werden Medien den Experten, die den Konsens vertreten, und denjenigen, die eine sehr kleine Minderheit vertreten, den gleichen Platz geben, um Gleichgewicht und Parität in der Debatte einzuhalten. Die Leser könnten dann zu Unrecht glauben, dass es keinen Konsens zu diesem Thema gibt, da die verschiedenen eingeladenen Experten miteinander nicht einverstanden sind.

Die spezifische Rolle des Internets

Das sogenannte „2.0“-Internet hat es jedem Benutzer ermöglicht, durch die Erstellung von Videos (Youtube), Kurznachrichten (Twitter) und längeren Texten (vor allem in Blogs) zum Produzenten von Informationsinhalten zu werden. Diese universelle Fähigkeit, Informationen herzustellen und zu verbreiten, hatte zwar einige positive Auswirkungen auf die Nachrichtenerfassung, aber ermöglichte auch eine größere Verbreitung von Fehlinformationen. Die Informationsproduzenten im Internet sind nicht an die redaktionellen Zwänge gebunden, die die Medien beachten und die, zumindest theoretisch, ihre Zuverlässigkeit gewährleisten. Deshalb werden Internetbenutzer zum Beispiel viel mehr Fehlinformationen über Gesundheit als die Medien verbreiten. Die Autoren weisen auch auf den Fall der Websites hin, die absichtlich Fehlinformationen verbreiten. Im Jahr 2012 (als der Artikel veröffentlicht wurde) hatten diese Websites noch nicht ihre heutige Bedeutung angenommen.

Zum Schluss stellen die Autoren fest, dass das sehr starke Wachstum des Informationsangebots in den 2000er Jahren es den Verbrauchern ermöglicht hat, die Informationen auszuwählen, die ihnen gefallen, und jegliche Information zu vermeiden, die ihnen nicht gefällt. Dieses fragmentierte Ökosystem hat zur Folge, dass die Verbreitung von Fehlinformationskorrekturen, die in den verschiedenen Informationsnetzwerken kursieren, verlangsamt wird.

II- Die individuelle Ebene und die Strategien zur Korrektur der Fehlinformationen

  1. Wie bewerten Individuen die Wahrhaftigkeit einer Information?

In unseren Alltagsgesprächen gehen wir oft davon aus, dass unser Gesprächspartner die Wahrheit sagt. Für einige Forscher ist dieses Ehrlichkeitspostulat [truthful] des Gesprächspartners die Norm in unseren Gesprächen, denn es ist eine Voraussetzung für das Verständnis der Bedeutung der vorgestellten Informationen. Von Ausnahmen abgesehen sind also Individuen bereit, die ihnen vorgelegten Informationen für richtig zu halten. Wenn wir aber bestimmen wollen, ob unser Gesprächspartner die Wahrheit sagt, stützten wir uns in der Regel auf eine ziemlich begrenzte Anzahl von Hinweisen. 3

Die Vereinbarkeit einer Information mit unseren Überzeugungen

Wir beurteilen Informationen regelmäßig nach unseren Meinungen und Überzeugungen. Daher wird eine Information, die mit unserer Meinung und unseren Überzeugungen übereinstimmt, gegenüber konkurrierenden Informationen bevorzugt. Nach Leon Festingers berühmter Theorie ist es sehr schwierig, Informationen aufzugeben, sobald sie akzeptiert sind, weil sie mit unserem Glauben übereinstimmen. 4 Aus Festingers Sicht würde das Aufgeben von Fehlinformationen, die wir für richtig halten, uns dazu zwingen, eine ganze Reihe von Überzeugungen und Meinungen infrage zu stellen, was ein psychisches Unbehagen verursachen würde, das wir unbedingt vermeiden wollen. Laut Festinger ist diese Motivation, unsere grundlegenden Überzeugungen aufrechtzuerhalten, ein entscheidender Mechanismus für das Funktionieren des menschlichen Denkens.  

Im Allgemeinen werden Informationen, die „wahr klingen“, leichter akzeptiert. Die Autoren des Artikels haben zum Beispiel gezeigt, dass ein Satz, dessen Buchstaben schwer zu entziffern sind, als weniger zuverlässig als die gleiche Nachricht, die in einer besser lesbaren Form geschrieben ist, angesehen wird. Um zu beurteilen, ob eine Information wahr ist, verwenden wir Hinweise, die uns „instinktiv“ und manchmal fälschlicherweise über ihre Zuverlässigkeit informieren.

Die Kohärenz der Information

Nach der Theorie des „mentalen Modells“ bilden Individuen mentale Vorstellungen, die wir mit einer Geschichte vergleichen können, um verschiedene Informationen einzuschließen und sie kohärent miteinander zu machen. Diese Geschichte ermöglicht es, die verschiedenen Informationen miteinander zu verbinden, indem wir ihnen eine Gesamtkohärenz verleihen. Nachdem die Kohärenz erreicht wird, wird es schwierig, einen Teil der Geschichte aufzugeben, denn dies würde ihre gesamte Kohärenz gefährden. Daher führen wir lieber neue Informationen in manchen Fällen ein, um die Kohärenz der Geschichte zu behalten, anstatt sie aufzugeben. Informationen, die einfach sind und daher mit unseren mentalen Modellen übereinstimmen, werden also in unseren Köpfen ein größeres Gewicht haben.

Die Glaubwürdigkeit der Quelle

Zahlreichen Experimenten nach stützen sich Individuen bei der Bewertung der Glaubwürdigkeit der Informationsquelle lieber auf den Ruf des Emittenten als auf den Kontext. Wenn eine Person zum Beispiel in einem Bereich als glaubwürdig angesehen wird, hat sie außerhalb ihres Fachgebiets mehr Glaubwürdigkeit, weil sie diese Aura des Experten besitzt, obwohl es sie eigentlich benachteiligen sollte.

Der gesellschaftliche Konsens um die Information

Allein die Tatsache, wiederholt einer Information ausgesetzt zu sein, erhöht ihre Glaubwürdigkeit. Je öfter ein Gerücht wiederholt wird, desto plausibler erscheint es. Laut der beachtenswerten Studie von Allport und Lepkin (1945) ist es sogar der Hauptfaktor, um zu bestimmen, ob ein Gerücht als glaubwürdig wahrgenommen wird oder nicht. Je mehr die Information kursiert, desto mehr Menschen glauben, dass es darum einen Konsens gibt. Diese Konsenswahrnehmung hat einen perversen Effekt: Es reicht aus, dass einige Individuen bevorzugt einer Information ausgesetzt sind, damit sie zu Unrecht glauben, dass diese Information von einer großen Anzahl von Personen akzeptiert wird. Mit anderen Worten neigen wir dazu, den Anteil der Individuen, die mit uns übereinstimmen, zu überschätzen.

2. Das Korrigieren einer Information reicht nicht aus, um andere davon zu überzeugen, dass sie falsch ist

Unsere verschiedenen Strategien zur Bewertung der Wahrhaftigkeit einer Information sind nicht immer optimal. Und leider kann eine Information, die wir als zuverlässig eingestuft hatten, unsere Meinung weiterhin beeinflussen, auch wenn wir Korrekturen dieser Fehlinformation bekommen haben. Seit Ende der 1980er Jahre versuchen Forscher der Psychologie, dieses Phänomen, das vom Funktionieren des menschlichen Denkens abhängen würde, zu erklären.

Auf diesem Gebiet haben Forscher festgestellt, dass wir - in sehr großem Umfang - dazu neigen, sich zu irren, wenn wir gefragt werden, ob eine zuvor widerlegte Information richtig oder falsch ist. Das typische untersuchte Beispiel ist das Folgende:

Den Teilnehmern des Experiments wird eine Geschichte über einen Brand in einer Lagerhalle vorgestellt. Der Ursprung des Feuers wird zunächst mit dem Vorhandensein leicht entflammbarer Gegenstände in einem Schrank erklärt. Allerdings wird den Teilnehmern dann mitgeteilt, dass der Schrank eigentlich leer war, als das Feuer ausbrach. Als die Teilnehmer zum Schluss gefragt werden, was „den schwarzen Rauch“ während des Brandes verursachte, antworten sie im Allgemeinen „die leicht entflammbaren Gegenstände im Schrank“. Bei der Formulierung ihrer Antwort scheinen also die Teilnehmer, nicht zu berücksichtigen, dass der Schrank leer war.

Noch störender ist Tatsache, dass die Teilnehmer sich jedoch daran erinnern können, dass der Schrank leer war, wenn die Frage ihnen direkt gestellt wird. Mit anderen Worten erinnern sich die Teilnehmer daran, dass der Schrank leer war, aber berücksichtigen es nicht, wenn sie antworten, dass der schwarze Rauch aus dem Schrank kommt. Das Problem hängt also nicht direkt mit schlechtem Gedächtnis zusammen, sondern eher mit der Unfähigkeit, in bestimmten Kontexten auf die richtige Information zuzugreifen.

Das Verständnis dieses Phänomens ist jedoch nicht eindeutig, und mehrere Theorien wurden vorgeschlagen, um zu bestimmen, wie Informationen, von denen wir wissen, dass sie falsch sind, uns weiterhin beeinflussen.

Das mentale Modell

Um zu verstehen, wie Individuen eine Information bewerten, haben die Autoren des Artikels den Begriff des „mentalen Modells“ eingeführt. Individuen bilden „mentale Modelle“ aus den verschiedenen Elementen einer Geschichte. Wir nehmen jede Information der Geschichte, um ihre Kohärenz neu zu schaffen. Je kohärenter die Geschichte erscheint, desto schwieriger ist es, ein Stück davon aufzugeben. Wenn die Teilnehmer im Fall der Geschichte des Brandes keine alternative Erklärung zum Ausbruch des Feuers haben, werden sie dann an der Erklärung der leicht entflammbaren Gegenstände im Schrank festhalten, um eine Kohärenz in ihrem mentalen Modell der Geschichte aufrechtzuerhalten. Wenn die Teilnehmer eine alternative Erklärung bekommen, die sich gut in die Geschichte einsetzen lässt, werden sie weniger auf leicht entflammbare Gegenstände als Ursache für den schwarzen Rauch hinweisen. Diese Neigung, „mentale Modelle“ zu erstellen, würde uns daher dazu führen, eine vollständige Geschichte einer korrekten und unvollständigen Geschichte vorzuziehen. Wir würden also die Tatsache ignorieren, dass sich in Wirklichkeit keine leicht entflammbaren Gegenstände im Schrank befanden, um die Kohärenz der Geschichte beizubehalten und eine Antwort auf die Frage zu geben.

Das Scheitern der Vereinnahmung

Das Funktionieren des menschlichen Gedächtnisses ist eine weitere potenzielle Quelle, um das Scheitern der Korrekturen in unserem Kopf zu verstehen. Da Individuen in der Lage sind, sich an die Korrektur zu erinnern, hängt das Problem nicht mit unserer Fähigkeit, sich neue Fakten zu merken, sondern mit unserer Fähigkeit, bei Bedarf auf diese Korrektur zuzugreifen, zusammen. Wenn wir vor einer Situation stehen, in der wir eine Information aus dem Gedächtnis abholen müssen, können verschiedene Informationen miteinander in Konkurrenz treten (die falsche Information und ihre Korrektur), was eine Strategie erfordert, um auf die richtige Information zuzugreifen, eine Strategie, die Fehler beinhalten kann. Im Falle des Brandes wählen die Teilnehmer automatisch die falsche Information aus, wenn sie über den Ursprung des Feuers befragt werden, da diese Information eine direkte Antwort gibt. Da sie in diesem Kontext relevant ist - sie liefert eine Erklärung zum Ursprung des Feuers - werden wir keine zusätzliche Strategie einsetzen, um auf die Korrektur der Information zuzugreifen. Mit anderen Worten: Das Behalten der Korrektur im Gedächtnis reicht nicht aus, man muss auch in der Lage sein, zum richtigen Zeitpunkt auf diese Information zuzugreifen, um nicht von der Fehlinformation beeinflusst zu werden, was nicht immer gewährleistet wird.

Der Bedienkomfort

Je zugänglicher eine Information im Gedächtnis ist, desto offensichtlicher wird sie erscheinen. Wenn die Information offensichtlich ist, wird man nicht versuchen, sie durch andere Informationen zu ergänzen. Dieses Kriterium der Offensichtlichkeit hat perverse Auswirkungen. Eine mehrmals wiederholte falsche Information wird im Gedächtnis leicht ergreifbar sein und daher den Offensichtlichkeitsstatus erhalten, obwohl wir danach erfahren haben, dass sie falsch ist. Es bedarf nämlich größerer Bemühungen, um auf die nichtoffensichtliche Information zuzugreifen, und wir sind nicht immer dazu bereit, eine solche Anstrengung zu unternehmen. Propaganda und Werbung spielen mit diesem psychologischen Effekt der Wiederholung, um widersprüchliche Informationen zu umgehen und den Offensichtlichkeitsstatus zu bekommen.

3. Den Einfluss der Desinformation verringern

Während die Korrektur fehlerhafter Informationen nicht ausreicht, um unsere Überzeugungen zu aktualisieren, gibt es dennoch drei Techniken zur Verbesserung der Wirksamkeit dieser Korrektur.

  1. Warnen: Wenn wir vor den Risiken gewarnt werden, Fehlinformationen ausgesetzt zu werden, können wir Strategien entwickeln, um zu vermeiden, dass diese in unsere mentalen Modelle eingeschlossen werden.
  2. Wiederholen: Wenn die Korrektur wiederholt wird, gewinnt sie an Effizienz. Zahlreiche Untersuchungen weisen jedoch Begrenzungen der Wirksamkeit der Wiederholung aus. Zum Beispiel, da die Korrektur nach der Fehlinformation kommt, wird sie systematisch benachteiligt.
  3. Ersetzen: Damit eine Korrektur wirklich effizient ist, muss sie sich in das mentale Modell der entsprechenden Geschichte einfügen können. Mit anderen Worten: Sie muss plausibel und einfach sein (was nicht immer möglich ist). Eine zu komplexe Alternative wird schwieriger akzeptiert.

Die Wirksamkeit der Korrektur hängt aber auch von manchen individuellen Merkmalen ab. Zwei werden von den Autoren besprochen: „Weltanschauungen“ [worldview] und Skepsis.

Die Weltanschauungen

Als die Autoren 2012 den Artikel verfassen, hat die Forschung über gefälschte Informationen noch nicht ihr volles Ausmaß erreicht. Daher erwähnen die Autoren kurz die Rolle der Meinungen im Glauben an falsche Informationen: Je kompatibler unsere Weltvorstellungen mit einer falschen Information sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir sie glauben. Zum Beispiel würden unsere politischen Einstellungen unsere Wahrnehmung der falschen Informationen stark beeinflussen. Einige Autoren haben zum Beispiel gezeigt, dass die Republikaner in den Vereinigten Staaten (in Frankreich würden wir „die politische Rechte“ sagen) mit einer größeren Wahrscheinlichkeit daran glauben, dass die Iraker Massenvernichtungswaffen besitzen (was falsch ist), als die Liberalen (das entgegensetzte politische Lager in den USA). Diese Neigung zur Bestätigungsverzerrung wäre ein starkes Bollwerk gegen die Korrektur von Fehlinformationen. 5 Die Autoren des Artikels weisen aber darauf hin, dass der Zusammenhang zwischen der Wirksamkeit der Korrektur und dem früheren Glauben noch nicht klar verstanden wird.

Mit der Integration der Weltanschauungen korrigieren

Auf der Grundlage von Kahans Theorie glauben die Autoren, dass eine Korrektur, die die Weltanschauungen der Individuen berücksichtigt, mehr Chancen hat, akzeptiert zu werden. Eine effiziente korrigierende Kommunikation würde sich auf manche Kernwerte der Individuen stützen, um sie dazu zu bringen, bestimmte Informationen abzulehnen oder zu akzeptieren. Je nach den gewählten Wörtern und den betonten Werten kann die gleiche Information von einer Person akzeptiert oder abgelehnt werden. Eine effiziente korrigierende Kommunikation muss uns auch die Möglichkeit geben, unser „Selbst“ [self-affirmation] zu behaupten. Mit anderen Worten: Die Korrektur soll nicht abwertend, sondern aufwertend sein. Wenn die Kommunikation diese „affirmative“ Dimension nicht umfassen kann, muss sie dann die Korrektur so darstellen, dass wir keine Verbindung zwischen der Korrektur und unseren eigenen Meinungen herstellen können. Auf diese Weise wird die Korrektur unsere Feindschaft wahrscheinlich nicht erregen. Daher ist es besser, die Korrektur als eine neue und wahre Information vorzustellen (ohne die von ihr korrigierte Information zu erwähnen).

Die Skepsis

Die Skepsis hat widersprüchliche Auswirkungen auf Fehlinformationen. Sie kann Individuen zu vorsichtigen Strategien ermuntern und zur Ablehnung mancher Fehlinformationen führen. Viele Studien zeigen aber, dass diese Motivation nicht immer ausreicht, um falsche Informationen zu erkennen oder zu korrigieren. Die Skepsis kann auch die Ablehnung der Korrektur verstärken. Daher kann man feststellen, dass der Zusammenhang zwischen der Skepsis und der Wirksamkeit der Korrektur noch missverstanden wird und umstritten ist.

Schluss

Die Forschung zur Fehlinformation und ihrer Korrektur steckt noch in den Anfängen. Sie wirft auch einige ethische Fragen auf. Ist es wünschenswert, unsere Kenntnisse der menschlichen Psychologie zu benutzen, um Verhalten durch die Veränderung der Überzeugungen zu beeinflussen, zumal Techniken zur Korrektur unserer Überzeugungen auch zu Desinformationszwecken benutzt werden können? 6 Die Autoren glauben, dass diese Korrekturtechniken trotz der ethischen Fragen, die sie aufwerfen, sicherlich die besten verfügbaren Lösungen sind, um den schädlichen Auswirkungen der Desinformationskampagnen entgegenzuwirken, die von Lobbys und anderen gewinnorientierten Organisationen orchestriert werden. Die Autoren erinnern uns daran, dass ein guter Schutz vor Fehlinformationen im Verständnis des Funktionierens unseres Geistes besteht.

  1. Zum Beispiel: Wenn die Person die Gleichheit zwischen Individuen schätzt, muss die Korrektur der Information diese Idee der Gleichheit zwischen Individuen positiv widerspiegeln.[]
  2. In dieser Übung fassen wir selbst einen Artikel zusammen, der sich bereits als Überblick der vorhandenen Literatur vorstellt. Hier geht es also gewissermaßen um eine Arbeit „aus dritter Hand“, die die ganze Subtilität der Forschung über Fehlinformationen nicht widerspiegeln kann. Diese Arbeit ist jedoch notwendig, um der Öffentlichkeit Forschungsarbeiten mitzuteilen, die sonst weitgehend unbekannt bleiben würden.[]
  3. Es gäbe viel zu sagen über die Gründe, die uns dazu bringen können, dieses Ehrlichkeitspostulat auszusetzen. Wir empfehlen das Lesen des Buches Hugo Merciers Not Born Yesterday (2020, unübersetzt).[]
  4. In Psychologie wird dieses Phänomen als „Bestätigungsverzerrung“ bezeichnet. Es ist festzuhalten, dass diese Art der Denkweise nicht unbedingt unzusammenhängend ist. Wenn wir manchmal angesichts von Fakten eigensinnig sein können, haben wir sehr oft gute Gründe, uns bei der Auswahl der Informationen auf unsere Überzeugungen zu stützen. Dieser Mechanismus kann aber dazu führen, dass wir in unseren Fehlern verharren.[]
  5. Wir weisen jedoch darauf hin, dass eine Reihe von Studien, die wir hier vorgestellt haben, die Bedeutung dieser allgemeinen Theorie der Leichtgläubigkeit in Bezug auf unsere Weltanschauungen herunterspielt: https://www.fondationdescartes.org/2020/04/comment-expliquer-croyance-fake-news/[]
  6. Diese ethische Debatte handelt von der Benutzung von „Nudges“ oder sanftem Ansporn. Für weitere Informationen finden Sie hier einen kritischen und dokumentierten Artikel zu diesem Thema: https://www.medecinesciences.org/en/articles/medsci/full_html/2016/12/medsci20163212p1130/medsci20163212p1130.html[]
Thematisch :  Kognitive Verzerrung und misinformation  
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Ausgabe :  Psychological Science in the Public Interest (SAGE)   
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Land :  Vereinigte Staaten 
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Sprachen :  Deutsch 
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Schlüsselwörter : 
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