Synthese eines wissenschaftlichen Artikels, die von der Fondation Descartes hergestellt wurde:
Benkler, Y., Tilton, C., Etling, B., Roberts, H., Clark, J., Faris, R., ... & Schmitt, C. (2020). Mail-In Voter Fraud: Anatomy of a Disinformation Campaign. Available at SSRN.
In dieser Studie der Harvard Universität analysieren Yochai Benkler und seine Kollegen, was sie als eine von den Eliten der Republikanischen Partei initiierte Desinformationskampagne interpretieren. Wegen der Covid-19-Pandemie haben einige US-Bundesstaaten in Vorbereitung auf die Präsidentschaftswahl 2020 einen Fernabstimmungsdienst eingeführt. Donald Trump und seine Umgebung prangerten dann das an, was sie als politisches Manöver der Demokraten bezeichneten. Ihrer Ansicht nach würde nämlich die Online-Abstimmung solche Betrugsrisiken darstellen, dass sie die Gültigkeit künftiger Wahlen gefährden würde. Jedoch sind die Betrugsrisiken laut Experten auf diesem Gebiet eigentlich marginal und vernachlässigbar. Die republikanische Übertreibung dieser Risiken wäre also eine Desinformationskampagne zu Wahlkampfzwecken.
Die Autoren der Studie zeigen, dass diese „Desinformationskampagne“ der Republikanischen Partei zu einer Polarisierung der amerikanischen Bevölkerung zum Thema Wahlbetrug geführt hat: Republikanische Wähler sind stärker als Demokraten davon überzeugt, dass es ein großes Betrugsrisiko bei der Präsidentschaftswahl 2020 gibt.
Um zu verstehen, wie diese Meinung über Wahlbetrug entstanden ist, verbindet die Studie quantitative Analysen in den sozialen Medien (Twitter und Facebook) mit einer deskriptiven Chronologie der wichtigsten Etappen der „Desinformationskampagne“, die von Donald Trumps Lager geführt wurde.
Die wichtigsten Ergebnisse der Studie sind:
Diese Forschergruppe betont die geringe Rolle, die die sozialen Medien spielen, sowie die Abwesenheit jeder Spur einer ausländischen Einmischung in diese „Desinformationskampagne“. Ihrer Meinung nach wäre die Informationskrise, die die Vereinigten Staaten erschüttert, falsch diagnostiziert. Während die Rolle sozialer Medien und ausländischer Einmischungen in den Analysen dieser Krise sehr oft hervorgehoben werden, befassen sich eigentlich zu wenige Studien mit der Rolle der politischen Eliten und der Massenmedien.
Der Bericht weist auch auf die Verantwortung der Journalisten hin:
Zu Beginn der Kampagne schienen diese Journalisten und Redakteure, am anfälligsten für Trumps Taktik, den professionellen Journalismus für seine Desinformationskampagne zu instrumentalisieren, zu sein. Zu dieser Zeit betonte die Berichterstattung einen „ausgewogenen" Ansatz, der die Formulierung des Problems vom Präsidenten als Parteikonflikt wiederholte und in der Tat verstärkte und legitimierte.
Schließlich meinen die Autoren, dass die „Neutralität“, die die Massenmedien während des Wahlkampfes eingenommen haben, dazu beigetragen hat, die Idee zu legitimieren, dass es ein echtes Betrugsrisiko bei der Präsidentschaftswahl 2020 gibt. Daher plädiert der Bericht für ein stärkeres Engagement der Medien gegen Desinformationsversuche der politischen Eliten. Den Forschern nach sollte die Sorge um Medienneutralität nicht zur Kapitulation vor Aussagen führen, die eindeutig Desinformationen enthalten, auch wenn sie vom Präsidenten der Vereinigten Staaten stammen.