Die Forderung nach aufrichtiger Information für eine vertrauensvolle Demokratie

Die sozialen Netzwerke und Fake News während der amerikanischen Wahlen 2016

Hunt Allcott und Matthew Gentzkow
01/04/2020

Dieser 2017 veröffentlichte Artikel ist heute einer der meistzitierten in der wissenschaftlichen Literatur über Fake News. Er hat sich als einer der ersten mit dem Phänomen befasst. Die Descartes-Stiftung bietet Ihnen eine ausführliche Zusammenfassung davon an. Eilige Leser können sich direkt auf die Schlussfolgerung beziehen.

Aurélien Brest
Chargé d'études en psychologie cognitive à la Fondation Descartes

Kontext

Während der Wahlen 2016 in den USA waren zahlreiche Fake News in Umlauf. Da die Mehrheit auf das demokratische Lager abzielte oder den republikanischen Standpunkt verteidigte, haben sich manche Kommentatoren öffentlich darüber beunruhigt, dass die Wahl Donald Trumps durch diese Fake News hätte begünstigt werden können.

Dieser Artikel verhilft nicht zu einer Entscheidung in dieser Frage, liefert dafür jedoch interessante Fakten zum besseren Verständnis des Phänomens der Fake News während der amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2016.

Theoretische Aspekte

Der Artikel definiert Fake News als absichtlich falsche Informationen, die den Leser täuschen könnten. Er optiert dafür, im Web zirkulierende satirische und parodistische Nachrichten mit einzuschließen. Die Autoren rechtfertigen diese Wahl mit der Erwähnung einer Falschmeldung, der zufolge der Papst den Kandidaten Trump bei den Wahlen unterstützen würde. Die Urheber dieser Falschinformation wollten mit diesem Scherz Lachen auslösen. Da die Information jedoch massenweise geteilt wurde, haben möglicherweise zahlreiche Personen wirklich daran geglaubt.

Der Artikel schlägt anschließend ein Modell der Fake-News-Ökonomie vor. Medien, die Fake News erzeugen, können insofern dazu ermuntert werden, als die Konsumenten mitunter dazu neigen, Informationen den Vorzug zu geben, die ihren Überzeugungen entsprechen. Eine Information hat also, selbst wenn sie falsch ist, die Chance, gelesen und geglaubt zu werden, wenn sie mit den Erwartungen der Person übereinstimmt. Bestimmte Medien könnten daher falsche Informationen begünstigen, weil sie den Erwartungen des Publikums entsprechen und dieses binden würden. In einem politischen Kontext erwägen die Autoren, dass die Personen positive Informationen über ihren Kandidaten erwarten, ohne dass diese zwangsläufig wahr sind. Diese Hypothese wird in der Untersuchung überprüft. Jedoch kann es früher oder später dem Ruf einer Zeitung schaden, Falschinformationen zu verbreiten. Und hier kommt die Ökonomie der sozialen Netzwerke ins Spiel. Diese sind tatsächlich eine günstige Umgebung für die Verbreitung von Fake News. Es verursacht praktisch keine Kosten, in sozialen Netzwerken Inhalte zu veröffentlichen. Jeder Akteur kann sich somit auf diesen Markt begeben und Falschinformationen erzeugen, die sich mit der restlichen Aktualität vermischen. Dies begünstigt kurzfristige Strategien, und das längerfristige Ansehen zählt in dieser Art Ökonomie somit nicht. Außerdem wird Information in den sozialen Netzwerken in einer attraktiven und vereinfachten Form präsentiert, sodass Fake News sich dort leicht ansiedeln können. Diese Hypothese wird ebenfalls in der Untersuchung überprüft. Generell versucht der Artikel zu bestimmen, in welchem Umfang die amerikanischen Wähler Fake News ausgesetzt waren und ob sie sich diesen gegenüber leichtgläubig verhalten haben.

Die entwickelte Methode

Zur Überprüfung dieser beiden Hypothesen haben die Autoren am 28. November 2016 (zwei Wochen nach der Wahl von Donald Trump) einen Fragebogen versendet. Da die Befragtengruppe (1200 Teilnehmer) nicht repräsentativ für die amerikanische Gesellschaft war, haben die Autoren zur optimalen Annäherung die Daten aus ihrer Stichprobe hochgerechnet. Neben demografischen, sozialen und politischen Auskünften über die befragten Personen enthielt dieser Fragebogen 15 Schlagzeilen (Headlines) im Facebook-Format. Der Teilnehmer war aufgefordert, für jede Schlagzeile anzugeben, ob er a) sich erinnern kann, sie schon im Web gesehen zu haben, und b) diese damals als wahr oder falsch bewertet hat.

Diese 15 Schlagzeilen wurden den Teilnehmern wahllos vorgelegt, auf der Basis einer Palette von 30 durch die Autoren ausgewählten Schlagzeilen. Die Hälfte der 30 Schlagzeilen war zugunsten der Präsidentschaftskandidatin Clinton ausgerichtet, die andere Hälfte zugunsten des Kandidaten Trump. 20 von diesen 30 Schlagzeilen waren gefälscht. Da die Teilnehmer die Anweisung hatten, sich zu erinnern, ob sie den vorgelegten Schlagzeilen schon einmal begegnet waren, haben die Autoren einen klassischen Trick der Psychologie eingesetzt, um sicherzustellen, dass die Teilnehmer ihre Erinnerungen nicht erfinden. Die Hälfte der 20 gefälschten Schlagzeilen, die den Teilnehmern beliebig vorgelegt werden konnten, war für die Studie komplett erfunden worden (Placebos). Wenn die Teilnehmer also in großer Zahl angeben, sich an diese Placebos erinnern zu können, müssten die Ergebnisse für die wirklichen Fake News mit Vorsicht interpretiert werden, weil den Erinnerungen der Teilnehmer folglich nicht vertraut werden kann.

Die Ergebnisse

Das Ausgesetztsein gegenüber Fake News. Im Durchschnitt haben 15 % der Teilnehmer angegeben, sich daran zur erinnern, den echten Fake News ausgesetzt gewesen zu sein. Allerdings haben rund 14 % der Teilnehmer angegeben, sich an die Placebos zu erinnern. 8 % berichten, an die Fake News geglaubt zu haben, sowie 8 % ebenfalls an die Placebos. Dieses Ergebnis ist insofern problematisch, als das Placebo beinahe ebenso häufig wiedererkannt wird als die echten Fake News. Es erscheint somit schwierig, sich auf das Gedächtnis der Teilnehmer zu verlassen, da sie sich (durchschnittlich) ebenso an die Placebos wie an die wirklichen Fake News erinnern. Die Autoren waren der Ansicht, dass aus der beobachteten geringen Abweichung zwischen den Wiedererkennungsquoten der Fake News und der Placebos trotzdem Schlüsse darüber gezogen werden konnten, wie vielen Fake News die Amerikaner im Durchschnitt ausgesetzt gewesen sein können. Überträgt man diesen Unterschied zwischen echten Fake News und Placebos auf die Häufigkeit, mit der die in der Studie benutzten echten Fake News auf Facebook geteilt worden sind, so könnte nach Ansicht der Autoren ein Amerikaner durchschnittlich eine von den 10 ausgewählten Fake News gesehen und tatsächlich erinnert haben. Im Hinblick auf die von den Autoren eingesetzte Methode ist diese Zahl mit Vorsicht zu betrachten.

Das Vorherrschen der Fake News in den sozialen Netzwerken. Nach dem theoretischen Modell der Autoren müssten die Fake News sich in den sozialen Netzwerken anfinden. Um diese Frage zu beantworten, haben sie eine Auswahl von mehr als 600 Websites zusammengestellt, die Fake News erzeugen, und konnten mithilfe des Tools Alexa bestimmen, dass die sozialen Netzwerke 41,8 % des Datenverkehrs auf diesen Websites darstellten. Es scheint also, dass die sozialen Netzwerke die Verbreitungen der Fake News begünstigen. Außerdem waren die Fake News zugunsten Trumps auf diesen Websites fast 4-Mal zahlreicher als jene zugunsten Clintons. Zwar ist es unmöglich zu bestimmen, ob die Fake News zugunsten Trumps das amerikanische Wahlergebnis beeinflusst haben. Trotzdem muss betont werden, dass die Wähler während dieser Wahlen somit, unter sonst gleichen Umständen, 8-Mal mehr Aussicht darauf hatten, einer Desinformationskampagne zugunsten des Kandidaten Trump ausgesetzt zu sein.

Die Faktoren des Glaubens an Fake News. Die Autoren haben anschließend ein statistisches Modell erstellt, um zu bestimmen, anhand welcher Faktoren vorhergesagt werden kann, dass eine Person sich täuscht und eine Falschmeldung als wahre Information betrachtet. Sie haben die folgenden Faktoren identifiziert: republikanischer Anhänger zu sein (dieser Prädiktor ist dem Modell zufolge jedoch wenig zuverlässig); die sozialen Netzwerke als Hauptinformationsquelle zu benutzen; jung zu sein (je jünger man ist, desto leichtgläubiger könnte man dem Modell zufolge sein) und vergleichsweise weniger gebildet als die anderen zu sein. Schließlich haben die Autoren bestimmen können, dass die Meldungen zugunsten Trumps mehr von den Republikanern geglaubt wurden und umgekehrt die Meldungen zugunsten Clintons mehr von den Demokraten. Die Hypothese der Autoren wird somit bestätigt: Die Personen sind tendenziell leichtgläubiger, wenn die Informationen ihren politischen Überzeugungen entsprechen. Zu beachten ist jedoch, dass dieses Ergebnis die gesamten Schlagzeilen (wahre und gefälschte) betrifft und nicht die Fake News! Das Modell sagt nichts darüber aus, ob dieses Ergebnis damit zu erklären ist, dass die Personen mehr an wahre Informationen glauben, oder dass sie leichtgläubiger gegenüber Falschinformationen sind (oder beides).

Schlussfolgerung

Dieser Artikel hat die Literatur über Fake News enorm beeinflusst. Als einer der ersten hat er versucht, die Ursachen aufzuzeigen und die Reflexion mit empirischen Daten zu bereichern. Er stellt die heute gut dokumentierte wirtschaftliche Dimension der Fake News in den Vordergrund. Er konnte ebenfalls aufstellen, dass die Fake News 2016 überwiegend pro Trump und gegen Clinton ausgerichtet waren. Weitere Artikel – für die wir ebenfalls ausführliche Zusammenfassungen anbieten – versuchen zu erklären, warum bestimmte Personen sich leichtgläubiger gegenüber Fake News verhalten.

Thematisch :  Desinformation  
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Ausgabe :  Journal of Economic Perpectives  
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Land :  Vereinigte Staaten 
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Sprachen :  Englisch 
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8, Avenue du Président Wilson 75116 Paris.
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