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Vom «moon hoax» zu Illuminati: die Gründe des Erfolgs von Verschwörungstheorien

Laurent Cordonier
12/07/2019

Der Soziologe Laurent Cordonier, Forscher zu der Descartes Stiftung, erklärt die Hauptgründen, die erlauben, die den heutigen Erfolg von Verschwörungstheorien zu verstehen.

Laurent Cordonier
Forscher in Sozialwissenschaften (PhD) bei der Fondation Descartes

Die Gründe für den Erfolg der Verschwörungstheorien

Fünfzig Jahre nach der spektakulären Leistung der Mission Apollo XI denken 9 % der Franzosen, dass die Amerikaner in Wirklichkeit niemals auf dem Mond waren und die NASA falsche Bilder von der Operation angefertigt hat. Die amerikanische Regierung hätte also die Existenz und den Erfolg dieser Weltraummission vorgetäuscht, wahrscheinlich mit dem Ziel, ihre sowjetische Rivalin zu beeindrucken.

Diese Theorie einer „Mondverschwörung“, oder eines Moon Hoax, nimmt in den USA während der ersten Hälfte der 1970er Jahre Gestalt an, mitten im Kontext wachsenden Misstrauens der amerikanischen Bevölkerung gegenüber ihrer Regierung (Vietnamkrieg, Watergate ...).

Zu Beginn der 2000er Jahre belebt die Entwicklung des Internets den Moon Hoax wieder neu. Internetnutzer beginnen, Tausende von Bildern des Ereignisses zu analysieren, in der Hoffnung, etwas zu entdecken, das eine Anomalie als Beweis für den Betrug darstellen könnte. Andere suchen und sammeln Argumente gegen die technische Machbarkeit dieser Operation, bis hin zur Verzerrung wissenschaftlicher Erkenntnisse, um zu bestätigen, dass es für die Menschen unmöglich ist, den Mond zu erreichen.

Der Moon Hoax beruht somit wie alle Verschwörungstheorien auf einer Anhäufung verschiedenartiger, mehr oder weniger sonderbarer Argumente, die sich übrigens untereinander sehr wohl widersprechen können, ohne dass dies ein Problem darstellt. Ein solcher „argumentativer Blätterteig“, wie ihn der Soziologe Gérald Bronner nennt, dient einzig dem Ziel, Zweifel hinsichtlich der „offiziellen“ Version eines bestimmten Ereignisses zu säen.

Übertriebenes Vereinfachen der Realität

Die Existenz verschwörungstheoretischer Erzählungen aller Art stellt keine historische Neuheit dar. Jedoch treffen diese Theorien heute auf eine nie da gewesene öffentliche Resonanz. Wie ist es erklärbar, dass gebildete und informierte Bürger in erstaunlichem Umfang Theorien zustimmen können, die zum Beispiel behaupten, dass unsere politischen Führer sich zum Nachteil der restlichen Menschheit mit Außerirdischen verschwören, oder dass sie uns belügen in Bezug darauf, dass wir auf dem Mond waren?

Selbstverständlich wirken nicht alle Verschwörungstheorien von vornherein so absurd wie diese beiden Beispiele. Tatsache ist jedoch, dass die konspirationistischen Erzählungen immer in einer übermäßigen Vereinfachung der Logiken bestehen, die das Funktionieren unserer Gesellschaften sowie die Verkettung historischer Ereignisse regieren.

Denn die Urheber der Verschwörungstheorien erklären die Phänomene, mit denen sie sich befassen, auf manichäische und monokausale Weise – was ein Gefühl hervorruft, dass eine beunruhigende, aber eindeutige Realität enthüllt wird, die uns verheimlicht worden wäre.

Beispielsweise entspringen bestimmten Verschwörungsanhängern zufolge alle Leiden der Menschheit aus einer einzigen Quelle: den Illuminaten. In den Kulissen der globalen Politik- und Mediensphären lauernd, wären sie in Wirklichkeit die echten Machtinhaber und würden aus eigenem Interesse heraus den Bevölkerungen schaden. Ähnliche Erzählungen haben als machiavellistische Akteure die Freimaurer, die Juden oder auch außerirdische humanoide Reptilien.

„So ein Zufall!“

Muss man nicht vollkommen irrational sein, um solchen bis zur Karikatur manichäischen und vereinfachenden Theorien in die Falle zu gehen? In Wirklichkeit beruht die Zustimmung zu Verschwörungstheorien zumindest zum Teil auf den Gründen, daran zu glauben. Tatsächlich weisen die meisten Verschwörungstheorien wie bereits erwähnt eine umfangreiche Argumentation auf.

Die Beweisführungen der Konspirationisten halten einer ernsthaften Analyse selbstverständlich nicht stand. Sie besitzen jedoch eine gewisse Überzeugungskraft, besonders dadurch, dass sie ein breites Spektrum an menschlichen kognitiven Verzerrungen ausnutzen. Jene zum Beispiel, die uns hinter jedem Ereignis die Auswirkung einer Absichtlichkeit sehen lässt, oder jene, die uns dazu führt, auf einen Kausalzusammenhang zwischen zwei gleichzeitigen Phänomenen zu schließen – das berühmte „So ein Zufall!“ der Verschwörungstheoretiker.

Außerdem haben Forscher betont, dass bestimmte Verschwörungstheorien wie echte politische Diskurse aus der Feder von „Verschwörungsunternehmern“ funktionieren, darunter extremistische Politiker. Indem sie einen Feind benennen und alle Mittel zu dessen Bekämpfung für rechtmäßig erklären, dienen diese Verschwörungstheorien als Mobilisierungsinstrumente für jene, die sich als „schwache Akteure des politischen Spiels“ wahrnehmen.

Ein Diskurs, der sozial geschwächte Personen verlockt

Verschwörungstheoretische politische Diskurse eignen sich besonders dafür, Personen zu begeistern, die sich sozial in einer prekären oder bedrohlichen Lage fühlen. Letztere können darin nämlich ein Interpretationsraster für die Welt erkennen, die ihrer Situation einen Sinn verleiht und den Ungerechtigkeiten, deren Opfer sie – zu Recht oder zu Unrecht – zu sein meinen, eine eindeutige Ursache zuweist.

Dies veranschaulicht eine Studie, die 2012 in benachteiligten Stadtteilen von Brüssel durchgeführt wurde: Die dort lebenden jugendlichen Einwanderer oder Nachkommen von marokkanischen und subsaharisch-afrikanischen Einwanderern schließen sich massenweise einer Lesart der Welt an, die von Verschwörungsthesen genährt wird. Darin arbeiten „Mächtige“ im Dunkeln daran, die Einwanderer in den westlichen Ländern zu stigmatisieren, einschließlich der Organisation von Anschlägen auf ihrem eigenen Gebiet, um sie ihnen dann zuzuschreiben.

Mit dieser verschwörerischen Sicht der Welt „[...] geben diese Jugendlichen der Vergangenheit (das Stillschweigen um die Kolonialgeschichte und die Migrationsgeschichten) ebenso wie ihrem Empfinden der Fremdenfeindlichkeit und den heutigen Diskriminierungen einen Sinn“.

Institutionen werden der Teilhabe an der Verschwörung beschuldigt

Eine ergänzende Herangehensweise an den Konspirationismus ist, ihn als „stigmatisiertes Wissen“ zu beschreiben. Denn die Verschwörungstheorien bieten Darstellungen der Welt an, die darauf abzielen, diese verständlich zu machen. Jedoch werden diese Diskurse nicht als realitätskonform von den „validierenden Institutionen“ anerkannt, die besonders von den Medien und den wissenschaftlichen und akademischen Gemeinschaften gebildet werden. Aus diesem Grund werden sie belächelt oder gar stigmatisiert. Anstatt sie fallen zu lassen, behaupten ihre Anhänger, dass diese Validierungsinstitutionen in Wirklichkeit an der Verschwörung beteiligt sind.

Bis vor Kurzem gelang es den meisten Verschwörungstheorien kaum, über bestimmte Ränder der Gesellschaft hinaus auszustrahlen. Denn die fehlende institutionalisierte Validierung verwehrte ihnen den Zutritt zu den traditionellen Medienkanälen. Michael Barkun zufolge haben sich die Dinge jedoch seit dem Einzug des Internets in den meisten Haushalten radikal verändert.

Der amerikanische Politikwissenschaftler zieht zwei zusätzliche Faktoren in Betracht, die seit den neunziger Jahren dazu beigetragen hätten, die Verschwörungstheorien zu immer weniger stigmatisiertem Wissen zu machen: die Herausbildung eines allgemein verbreiteten Gefühls des Misstrauens gegenüber den politischen und wissenschaftlichen sowie den Medieneliten und die zunehmende Präsenz des Verschwörungsthemas in der Volkskultur.

Zahlreiche andere Forscher weisen ebenfalls auf die Bedeutung des heutigen Vertrauensdefizits gegenüber den Eliten hin, um den gegenwärtigen Erfolg von Verschwörungstheorien zu erklären. Ein solches chronisches Misstrauen erzeuge einen Zustand der Verunsicherung in der Bevölkerung. Ein Teil davon versuche sich damit zu beruhigen, auf diverse Strategien zurückzugreifen, die die Komplexität der Welt vereinfachen. Eine dieser Strategien bestünde darin, sich Verschwörungstheorien zuzuwenden, die wie bereits gesagt so beschaffen sind, dass sie einfache und eindeutige Erklärungen für die in Wirklichkeit komplexen Ereignisse liefern, auf die sie sich beziehen.

Die Herausbildung einer Volkskultur, welche die Codes des Konspirationismus einsetzt (TV-Serien, Filme, Romane), hätte ihrerseits beigetragen zur „Aushöhlung dessen, was zuvor eine klare und feste Grenze zwischen dem marginalen und dem vorherrschenden Diskurs war“ (Barkun).

Diese Hypothese wird von einer Feldstudie mit französischen Gymnasiasten bekräftigt. Ihr zufolge greifen die Jugendlichen „auf Referenzen aus zeitgenössischen fiktiven Werken [...] zurück, um dem Zweifel zu begegnen, der hervorgerufen wird durch das, was ihnen als „inkohärent“, „seltsam“ oder „nicht wahr“ an den Informationen erscheint, mit denen sie nach den Attentaten [2015 und 2016] konfrontiert worden sind.“

Noch weitgehend unbekannte Konspirationisten

Wenn die Forschung auch Fortschritte in der Frage nach den möglichen Ursachen für den Erfolg der Verschwörungsthesen verzeichnet, verhält es sich anders mit dem Profil der Anhänger dieser Theorien. Die sozialen Eigenschaften der Verschwörungsanhänger bleiben tatsächlich auf überraschende Weise verschwommen – außer dass es sich eher um Jugendliche sowie Extremwähler handeln soll.

Dies rührt wahrscheinlich daher, dass die verschiedenen Verschwörungstheorien im Allgemeinen als ein homogenes Gebilde von Überzeugungen untersucht werden, denen sich eine Person mit Verschwörungsmentalität beliebig anschließen könnte. Diese vermeintliche Homogenität der Verschwörungstheorien scheint jedoch verfehlt zu sein.

Zusammen mit meinen Kollegen zeigen wir in einer bald erscheinenden Studie, dass tatsächlich unterschiedliche Gruppen von Verschwörungstheorien existieren, die offensichtlich nicht dieselben Personen interessieren. Es ist also kaum überraschend, wenn das typische soziologische Profil der Verschwörungsanhänger nicht festzustellen ist, da es eben nicht nur eins, sondern mehrere verschiedene Profile gibt, von denen jedes einer spezifischen Gruppe von Verschwörungstheorien entspricht.

Auf ein Denkmal in Washington projizierte Nachbildung von Saturn V. Am 16. Juli 1969 startete diese Rakete für die Mondmission Apollo XI. Andrew Caballero-Reynolds/AFP

Die Gründe für den Erfolg der Verschwörungstheorien besser zu verstehen und die ihnen am ehesten erliegenden Bevölkerungsgruppen zu bestimmen, sind wichtige Ziele. Denn wenn manche konspirative Erzählungen recht harmlos erscheinen, wie der Moon Hoax, können andere eine Form von Gefahr darstellen.

Zum Beispiel gaben 17 % der befragten Franzosen bei einer Ifop-Umfrage 2018 an, mit der Aussage „Das Gesundheitsministerium steckt unter einer Decke mit der Pharmazieindustrie, um die Realität über die Schädlichkeit der Impfungen vor der breiten Öffentlichkeit zu verbergen“ „völlig einverstanden“ zu sein (und 26 % „eher einverstanden“).

Eine solche Überzeugung bleibt möglicherweise nicht ohne Auswirkungen auf den in Frankreich beobachteten Impfwiderstand und auf die Probleme der öffentlichen Gesundheit, die er verursacht.

Thematisch :  Verschwörung  
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Formate :    
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Ausgabe :  The Conversation  
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Land :  France 
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Sprachen :  Französisch 
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Schlüsselwörter : 
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